Kreditmodell?

20. Oktober 2010

Zur gestrigen Audimax-Besetzung war Josef Broukal in der ZiB24 und hat – mal wieder – das (australische) Kreditmodell zur Finanzierung eines Studiums erwähnt. Im Moment ist dieses Konzept zwar nicht heiß diskutiert (weil Zugangsbeschränkungen – ebenso schlimm – in Diskussion sind), dennoch sollte dieses vermeintliche Lösungsmodell mal genauer beleuchtet werden. Es ist nämlich nicht die Antwort auf alle Fragen, sondern sozial ungerecht.

In Australien übernimmt der Staat für einen Teil der Kosten der Studienplätze und überschreibt den Studierenden dafür eine entsprechende Summe als Schulden. Die Studierenden können wählen, ob sie diese Summe mit einem Abschalg sofort bezahlen oder ob sie die Gebühren erst später mit ihren Steuern verrechnet haben wollen. Klingt praktisch? Die Kritik hat viele Facetten:

Erstens: Nicht für alle Studierenden wird so ein Kredit (Higher Education Contribution System – HECS) bereit gestellt und Personen aus bildungsfernen Schichten haben weniger Chance auf einen Studienplatz: Kinder von finanziell gut ausgestatteten Eltern können sich sowohl um einen HECS – als auch um einen normalen (full-fee-paying)-Platz bewerben, Sozial Schwache nur für HECS. SofortzahlerInnen erhalten massive Abschläge und bezahlen daher weniger Studiengebühren.

Zweitens: Die Gebühren richten sich nicht nach den Kosten des Studiums sondern nach dem zu erwartetenden Einkommen. Höchstgebühren fallen für Jus, Wirtschaftswissenschaften und Medizin an; geringere für „national priorities“ wie Erziehungswissenschaften. Das heißt, das „Humankapital“ wird in den Vordergrund gerückt.

Drittens: Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist nicht gewährleistet, denn Frauen verdienen in der Regel deutlich weniger als Männer und sind daher zu einer längerfristigen Rückzahlung gezwungen und somit länger verschuldet. Eine Hochrechung für Australien: Bei einer angenommenen Verschuldung von 20.000 AUD zahlen Männer im Durchschnitt 17 Jahre, Frauen 51 Jahre den Kredit zurück.

Viertens: Studierende aus gehobenen Schichten erhalten in der Regel mehr als doppelt so viel Zuwendungen von ihren Eltern als jene aus einkommensschwächeren Schichten. Bei den reicheren Studierenden ist also davon auszugehen, dass ihre Eltern die Gebühren von Anfang an per Sofortzahlung übernehmen – und dafür Studierenden aus sozial schwächeren Schichten mit einem Schuldenberg ins Berufsleben starten. Der schlechtere Startvorteil verschiebt sich nach hinten; mal abgesehen von der psychologishen Hürde, die ein Schuldenberg darstellt.

Noch ausführlicher gibt’s das ganze beim Aktionsbündnis gegen Studiengebühren.

Und nochmal: Sozial verträgliche Studiengebühren gibt es nicht. Egal wie man/frau es dreht und wendet.

Potemkinsche Messestände

29. September 2010

Ich könnt mich so aufregen. Die Uni Wien veranstaltet zu Semesterbeginn die Uni-Leben-Messe: Standl’n in der Uni sollen einen Überblick über Service- und Dienstleistungen bieten. Auf den ersten Blick wirkt das ganz nett: KooperationspartnerInnen wie Tele.Ring und PizzaMann, die den Studierenden (wobei auch immer) helfen sollen.
Die Aktion ist aber Teil einer Reihe von vielen Pseudo-Service-Angeboten die die Uni Wien veranstaltet um ihre Service-Schwäche zu verschleiern und nebenbei die ÖH zu untergraben.

Erstens war es die ÖH Uni Wien, die 2007 erstmals so eine Semesterstart-Messe veranstaltete: Und zwar trotz den Steinen, die die Uni überall in den Weg gelegt hatte. Aulareservierung im Hauptgebäude für so eine Messe? Schwierig, wegen der Brandschutzbestimmungen. Räume für Workshops? Fast unmöglich, weil ja Semsterbeginn ist und da überall Prüfungen sind (mhm). Nachdem die Semesterstart@Aula ein paar Jahre erfolgreich war und die Studierenden sich Sozialberatung und Infos über die ÖH holen konnten sowie sich vor Ort bei der Krankenkassa melden konnten dachte sich sie Uni offenbar hmmm. gute Idee.

Wer jetzt erwartet, die Uni hat nun endlich verstanden, dass sie gut daran tut, die ÖH zu unterstützen und ihr alles zu ermöglichen was sie für eine gute Semesterstart-Messe braucht, liegt falsch. Die Uni hat lieber selbst eine solche Messe aus dem Boden gestampft, deren Lichtblick die psychologische Studierendenberatung ist. Sonst finden sich auf der Liste der KooperationspartnerInnen zum Beispiel Holmes Place und Niedermayer. Dass die Uni einlädt wen sie will lässt sich ja noch argumentieren, und einige (AK-Bibliothek, Referat für Frauenförderung) sind auch tatsächlich sinnvoll, aber die Art und Weise und die Energie die die Uni in die Platzierung von Standard und Presse in der Uni statt vor der Uni steckt, ist mir rätselhaft. Weil – und das ist zweitens – die Uni so viele Probleme im Umgang mit Studierenden hat, dass es lächerlich ist, die eigene Bürokratie und das fehlende Service für Studierende durch externe „DienstleisterInnen“ nicht mal auszumerzen sondern nur zu kaschieren versucht. Dass man/frau mit dem Papier-Studi-Ausweis, der Bibliotheks-Bürokratie oder den Studienabschluss-Wegen von Studierenden anderer Unis ausgelacht wird, ist der Uni Wien-Verwaltung da weniger wichtig wie die „Kooperation“ mit PizzaMann.

So genug aufgeregt. Jetzt bin ich bereit für eine ruhige Diskussion über das Thema.

Den Passierschein A38, bitte!

21. September 2010

Zugegeben, das Asterix-Zitat des Passierscheins A38 hat schon einen gewissen Bart. Für mich jedenfalls.
Für die Uni offenbar nicht: Heute musste ich mein Diplomarbeitsthema einreichen: „Das Formular bitte doch in dreifacher Ausführung.“ Gut, leider kann man/frau am Germanistik-Institut nur mit Facultas-Kopierkarte ausdrucken. In der Fachbibliothek gibt’s aber nur Best-Copy-Kopierkarten. Ok, ich druck’s am NIG aus, nachdem ich dort eine Kopierkarte (mit dem tollen Kopier-Pickerl der ÖH Uni Wien übrigens) gekauft hab. Leider funktioniert dort der Drucker nicht. Wieder zurück auf die Germanistik für die erneuten Unterschriften vom Betreuer. (Das alles in furchtbarer Eile, um das Studien-Service-Center am Campus noch zu erwischen). Wieder zum Studienprogrammleiter – leider ist da die Tür zu: Die Sprechstunde wird wegen einer (offenbar ganz unerwarteteten?!?!) Diplomprüfung eine Stunde nach hinten verschoben. Eine Stunde später (das Studien-Service-Center hat inzwischen zu, wer erwartet denn auch unter der Woche länger als drei Stunden an zwei Tagen offene Türen). Vor dem Studienprogrammleiter-Zimmer warten inzwischen gezählte 12 Leute.

Eine dreivierte Stunde später:
Ich: „Ich brauche bitte ihre Unterschrift“.
Studienprogrammleiter unterschreibt.
Ich: „Und bitte den Stempel über der Unterschrift“.
Studienprogrammleiter (neben ihm liegt der Stempel): „Das sollen die vom Studienservice-Center machen.“

Das Studienservice-Center hat leider schon zu. Und die Wartefrist auf die Bearbeitung beträgt sechs Wochen.

Und ich dreh gleich durch.

was soll das?

30. April 2010

Ich muss mich auskotzen.

Schlimm genug, dass mit dem kommenden MinisterInnenrat am Dienstag die Publizistik beschränkt werden soll. Weil sie ein „Notfall“ ist. Dieses Notfall-Gerede nervt schon ziemlich – weil diese „Notfälle“, wie in der Publizistik hausgemacht sind. Wer die Unis jahrelang unterfinanziert braucht sich nicht wundern, dass diese irgendwann nicht mehr so studifreundlich sind. Jetzt zu sagen „aber es ist halt kein Geld da“, ist aber lächerlich. Von der ÖVP ist es Kalkül, von der SPÖ wasweißichwas. Was soll das? Wir wissen genau, dass es das ÖVP-Ziel ist, möglichst nur ihre eigenen Eliten-Kinder studieren zu lassen. Und vielleicht noch ein paar die sich ganz besonders anstrengen. Aber nur vielleicht. Und die Sozialdemokratie muss darauf beharren, einen offenen Hochschulzugang zu haben. Auch wenns hart ist, gegen die ÖVP.

Die Hochschulen brauchen mehr Geld. (I will stay on the message: Redundanz schafft Verständlichkeit.)

Außerdem ist die Tatsache, dass so viele Menschen studieren wollen kein Notfall sondern ein Glücksfall. Ich halte es da mit Hertha Firnberg: Mehr ArbeiterInnenkinder an höhere Schulen!

Die Publizistik wird also beschränkt: auch „nur“ in der Publizistik sind Zugangsbeschränkungen ungerecht. Allen gegenüber die Publizistik studieren wollen. Auch das ist schon der Anfang vom Ende des offenen Hochschulzugangs.

Und was macht das Wissenschaftsministerium? Will noch mehr: Selektionsphasen überall. Fatal genug. Wie sagen sies? Sie wollen die „Spreu vom Weizen trennen“. Sie wollen die Studieneingangsphase zur Knock-Out-Phase machen und möglichst viele selektieren. Und die SPÖ ist „gesprächsbereit“. Und wir Studis können das beste hoffen? Was soll das? Wer studieren will muss das auch können. Egal wie die ÖVP das gern hätte.

Auskotzen tut gut. Ein bisschen jedenfalls. Dennoch: Für den offenen Hochschulzugang brauchen wir ein breites Nein zu den ÖVP-Plänen.

Bild der Woche: „frisch“ gekocht

30. April 2010

Donnerstags, 0930 am Naschmarkt. „Frisch“ gekocht ist halb „gewonnen“?
I love Anführungszeichen.

geh bitte.

27. April 2010

Ein Dramolett

Szene: Straßenbahn Linie 49, 17:00, mäßig viel los, im hinteren Teil des Waggons eine junge Frau mit zwei Kindern, zwei ältere Herren die nicht zusammengehören.

Kind 1: raunzt (wortlos)
Kind 2: weint (wortlos)
Kind 1: wird lauter
Kind 2: schreit
Alter Herr 1: „geh bitte kann da einmal eine ruh sein?“
Alter Herr 2: „des san kinder“
Alter Herr 1: „na und, de san zlaut“ murmelt: „scheiß Ausländer“
Alter Herr 2: „KINDER, lassensas halt“
Frau: spricht mit den Kindern, versucht sie zu beruhigen
Alter Herr 1: „geh bitte, des vasteht ma ja ned. und es is zlaut. I wü amoi mei ruh.“
Alter Herr 2: „dann fahrns nicht mit der straßenbahn. kinder san hoit ned immer ruhig“
Frau, Kind 1 und Kind 2: steigen aus.
Alter Herr 1: schnaubt zuerst, murmelt dann „na endlich. de ghern do ned her. und wann ma ned amoi mehr die kinder versteht. sollns ihnen deutsch lernen“ und schweigt dann

GEH BITTE. scheiß AusländerInnenfeindlichkeit.

Die Top Five Gründe, morgen zur Wahl zu gehen

24. April 2010

Kurz und bündig:

1. Wählen gehen = Demokratie = leiwand
2. Heinz Fischer macht seinen Job gut
3. Der ÖVP-Versuch, Heinz Fischer zu delegitimieren darf nicht aufgehen
4. Die FPÖ hat einen Dämpfer dringend nötig
5. Rosenkranz und Gehring sind zwar absurd – dennoch eine Gegenstimme wert.

Es gibt noch mehr davon. Genug, um die halbe Stunde zu nutzen.

VSStÖ ist…

19. April 2010

Ich hab einen neuen Zeitvertreib (sehr gut zum Prokrastinieren), der auch noch Sinn und ein Ergebnis hat: Prezis machen! Prezi ist das „neue“ Powerpoint. Schaut mal, liebe Blog-LeserInnen.

Und das sind die Plakate

Meine VSStÖ-Prezi

Weitertanzen? Weiterkämpfen!

1. April 2010

Ende Jänner sorgte der Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) für Aufsehen: AntifaschistInnen machten sich bereit, ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit wahrzunehmen – die Polizei untersagte die Demonstration. Im PROGRESS, dem Magazin der ÖH Bundesvertretung hab ich mir nach dem WKR-Ball im Jänner die Aufregung um die Symbolik des WKR-Balls und die österreichiche Erinnerungskultur angesehen.

Erschienen im Progress 02/10

Gestern (27.01) wurde unter dem Vorwand der „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ die für Freitag geplante Demonstration gegen den Wiener Korporationsball durch die Wiener Polizei untersagt. Gerade deswegen werden sich AktivistInnen aller Repression zum Trotz um 18:00 Uhr am Europaplatz treffen. Das geplante Straßenfest findet ebenfalls ab 18:00 Uhr statt, nun allerdings im Sigmund Freud Park. Diese Ankündigung fand sich am 28. Jänner 2010 auf indymedia.org, dem (nach Eigendefinition) multimedialen Netzwerk unabhängiger und alternativer Medien, MedienmacherInnen, engagierter Einzelpersonen und Gruppen. Die untersagte Demonstration gegen den Wiener Korporationsring (WKR), eine Vereinigung von schlagenden, deutschnationalen Burschenschaften, wurde mit allen Mitteln von der Polizei verhindert.

Die Rechten wollen tanzen. Im WKR sind lokale Studentenverbindungen organisiert, die sich politisch in einem Spektrum zwischen völkisch-deutschnational und offen rechtsextrem bewegen. Bekanntes Mitglied ist die rechtsextreme Burschenschaft Olympia, die erst kürzlich wieder durch die Einladung des international bekannten Rassisten J. Philippe Rushton für Medienaufmerksamkeit sorgte. Heribert Schiedel vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) beschreibt die Burschenschaften im WKR in einem Standard-Interview 2006 folgendermaßen: „Weit rechts stehende Burschenschaften geben im Korporationsring den Ton an. Aber es gibt auch gemäßigtere, die sich immer wieder dagegen wehren, mit der Olympia in einen Topf geworfen zu werden. Umgekehrt aber stört es sie offenbar nicht, in einem Dachverband mit dieser Burschenschaft zu sein.“ Der WKR-Ball wird von Seiten des Veranstalters als „größtes couleurstudentisches Gesellschaftsereignis im deutschsprachigen Raum“ bezeichnet. Ihre Gesinnung feiern die Burschenschafter seit 1952 – die Proteste werden immer lauter, und für einige offenbar immer unangenehmer.

Das Recht zu demonstrieren? Nach der Untersagung der Demonstration durch die Polizei hagelte es heftige Kritik von AntifaschistInnen. indymedia.org fasst zusammen: „Fünf Grüne Nationalratsabgeordnete meldeten eine neue Demo eine Stunde früher mit leicht veränderter Route an. Die Polizei kommunizierte via Medien, dass eine Untersagung nicht automatisch eine Auflösung bedeute. Die Exekutive reagierte auf die neuerliche Anmeldung nicht.“
Die Kundgebung am 29. Jänner wurde vorerst zugelassen, gegen 18 Uhr versammelten sich friedliche DemonstrantInnen am Europaplatz. Das Polizeiaufgebot war beträchtlich, zur Machtdemonstration wurde der Wasserwerfer der Polizei sichtbar platziert. Viele ließen sich aber von der Einschüchterungstaktik der Polizei nicht davon abhalten, ihr Recht auf Versammlungsfreiheit und zum Aufschrei gegen die Salonfähigkeit Rechtsextremer in Österreich in Anspruch zu nehmen. Die polizeiliche Repression bei antifaschistischen Aktionen orten AktivistInnen nicht zum ersten Mal: „Die Polizei wird offenbar abgestellt, die Feiernden in der Hofburg zu schützen, anstatt unser Demonstrationsrecht zu gewährleisten,“ sagt Anna, die auch bei den WKR-Demonstrationen im letzten Jahr dabei war und die Polizeirepression bei der Demonstration am 1. Mai 2009 in Linz miterlebt hat.
Gegen Rechtsextremismus und Faschismus aufzutreten, erregt in Zeiten von Heinz-Christian Straches Hetze und Martin Grafs Nationalratspräsidentschaft viel Aufsehen.
Aufsehenerregende Demonstrationen gegen Faschismus sind aber in der Geschichte Österreichs nicht neu – ein Beispiel: die „Borodajkewycz-Affäre“ des Jahres 1965 – allerdings immer wieder von neuer Qualität.

Die Borodajkewycz-Affäre. In der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der Stellung der Entnazifizierung in Österreich brannte sich der Fall Taras Borodajkewycz, Professor an der Universität für Welthandel (heute Wirtschaftsuniversität Wien), in die österreichische Hochschulgeschichte ein. Der als „minderbelastet“ eingestufte NSDAPler ließ in den 1960er Jahren durch antisemitische und rassistische Aussagen in seinem Unterricht aufhorchen. Eine Protestwelle folgte. Tragischer Höhepunkt war die Ermordung des ehemaligen kommunistischen Widerstandskämpfers Ernst Kirchweger. Er wurde von einem rechtsradikalen Burschenschafter angegriffen und erlag seinen Verletzungen. Der Fall ging als typisch für die Auseinandersetzung der österreichischen Gesellschaft mit ihrer Vergangenheit in die Geschichte ein. Folge war unter anderem die Pensionierung Borodajkewycz’.

Österreich, das erste Opfer? Der scheinheilige Umgang Österreichs mit seiner Geschichte hat selbst Geschichte: Am 8. Mai 1945 kapitulierte das Dritte Reich, der Zweite Weltkrieg war vorbei.
Das Datum ist wohl der ambivalenteste Gedenktag der Zeit des Nationalsozialismus. In Frankreich, Tschechien und der Slowakei ist er ein offizieller Feiertag. In Österreich ist er als Schlusspunkt des Nazi-Regimes, anders als der Tag der Erklärung der immerwährenden Neutralität, nicht zufällig kein offizieller Feiertag. Das liegt vor allem an den noch immer nicht abgeschlossenen Auseinandersetzungen mit der Charakterisierung des 8. Mai. Von neuen und alten Ewiggestrigen wird er nicht als Tag der Befreiung sondern als „Tag der totalen Niederlage“ begangen, wie es die Wiener Burschenschaft Olympia nennt. Traditionell gibt es jährlich eine Kranzniederlegung einiger Burschenschaften bei einer Krypta am Wiener Heldenplatz, wo Rechte den „Helden“ des Krieges die Ehre erweisen wollen. Auf einschlägigen Internet-Seiten findet sich dazu: „Das große Ringen um die Freiheit unseres Volkes endete mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht.“
In den Jahrzehnten nach 1945 (und zum Teil noch heute) wurde die These von Österreich als „erstem Opfer des Faschismus“ hochgehalten. Brigitte Bailer-Galanda, wissenschaftliche Leiterin des DÖW, schreibt in einem Referat anlässlich eines Symposiums zur politischen Kultur in Österreich nach 1945: „Mit Hilfe der Opfertheorie erteilte die Zweite Republik nicht nur dem Staat Österreich die Generalabsolution, sondern auch der überwältigenden Mehrheit seiner Staatsbürger.“ Die Schuld an den Verbrechen unter der Schirmherrschaft des Nationalsozialismus wurde auf „die Deutschen“ abgeschoben, in einem Memorandum der Staatskanzlei für auswärtige Angelegenheiten heißt es dazu 1945: „Die Judenverfolgungen erfolgten während der Dauer der Besetzung Österreichs durch deutsche Truppen. Die Verfolgungen wurden durch reichsdeutsche Behörden angeordnet und mit ihrer Hilfe durchgeführt.“
Den „antifaschistischen Geist der Nachkriegszeit“ (so der Titel von Bailer-Galandas Text) sieht die Autorin als gerne herbeizitierten Gründungsmythos der Zweiten Republik, ebenso wie die „kollektive Unschuldserklärung“ Österreichs.
Der Bogen der österreichischen Erinnerungspolitik lässt sich aber bis heute spannen. So sieht Bailer-Galanda in der Politik der unmittelbaren Nachkriegszeit die Weichenstellung für die „Gegenwartsprobleme Österreichs“, nämlich beispielsweise „in der mangelnden Bereitschaft zur ehrlichen, über Gedenkrituale hinausgehenden Auseinandersetzung mit der NS-Zeit und in der gleichzeitig allzu schnellen Bereitschaft, eine Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht wegen einiger falscher Bildtexte als Propaganda abzutun“, womit sie auf die Diskussion um die Wehrmachtsausstellung verweist.

Gedenken ohne Gedanken. Nach 1955, mit dem Abzug der Alliierten, „verschwand [der Nationalsozialismus] aus den Reden der PolitikerInnen, auch wenn diese von den Jahren 1938 bis 1945 sprachen, er verschwand sogar aus dem Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkrieges (die Kriegerdenkmäler des Ersten Weltkriegs wurden durch die Namen der Gefallen des Zweiten Weltkrieges ergänzt, selbst wenn das Denkmal die Inschrift ‚Gefallen für die Heimat‘ trug)“, so Winfried Garscha in seinem Text Die verhinderte Re-Nazifizierung.
Vor allem seit den 1990er Jahren wird von rechtsextremer Seite immer wieder versucht, den 8. Mai selbst erinnerungspolitisch zu besetzen und konsequent den Aspekt der Niederlage an Stelle der Befreiung zu setzen – eine geschichtsvergessene Betrachtung, die versucht, die Folgen des von Nazideutschland begonnenen Angriffskriegs als Rechtfertigung für Revisionismus zu benutzen.
Der Umgang mit der Vergangenheit Österreichs und die Salonfähigkeit eines deutschnationalen Burschenschafters als Dritter Nationalratspräsident ist symbolisch für die Vergangenheits-„bewältigung“ Österreichs. Der WKR-Ball, sein Stattfinden in der Hofburg und die Verpflegung durch das Intercontinental ist Ausdruck dieser Politik.

Aufstehen und weiterkämpfen! Die NoWKR-Demonstrationen, die 2010 nicht zum ersten Mal stattfanden, richten sich gegen die deutschnationalen Burschenschaften und ihre wortwörtliche Salonfähigkeit. Es braucht starkes Auftreten gegen den WKR-Ball, der ein Symbol für das Eindringen der Burschenschaften in höchste Kreise der Gesellschaft darstellt. Dass Martin Graf, Mitglied der rechtsextremen Olympia, und viele andere deutschnationale, rechtsextreme Burschenschafter alljährlich in der Hofburg das Tanzbein schwingen dürfen, zeigt die Auswirkungen der Selbstverständlichkeit, es könne einem schlagenden Burschenschafter das Nationalratspräsidentenamt nicht verwehrt werden.

Universität und Co KG

14. März 2010

Nachdem „bIdlunsgökonomsierung“ mit den Studierendenprotesten im Wortschatz-Ranking wieder weiter oben gelandet ist – hier ein paar HIntergründe zum Thema.

Was heißt Bildungsökonomisierung?
Dieser Prozess beinhaltet viele Aspekte: die Einführung von Studiengebühren, Zugangsbeschränkungen und das Verständnis von Bildung im öffentlichen Diskurs sind nur einige davon.

Privatisierug ist nicht gleich Privatisierung

Ökonomisierung als weit gefasster Begriff wird – gerade wenn es um den öffentlichen Bereich geht – immer wieder in einem Atemzug mit Privatisierung genannt. Allerdings bedeutet Privatisierung im Bildungsbereich nicht nur die bloße Öffnung des Marktzugangs. Allessandro Pellizzari schreibt in seinem Text über New Public Management an den Universitäten über drei Arten der Privatisierung, die auseinander gehalten werden müssen: Staatskapitalprivatisierung, also die Überführung öffentlicher Institutionen in private Hände, Aufgabenprivatisierung, die marktwirtschaftlichen AnbieterInnen den Zugang zu Bildungsinstitutionen ermöglicht (z.B: externen Reinigungsfirmen oder NahrungsversorgerInnen) und Staatsprivatisierung: die Einführung betriebswirtschaftlicher Umgangsformen in Bildungsinstitutionen – und das ohne Änderung der Eigentumsverhältnisse.

Marktanpassung durch interne Reorganisation

Bildungseinrichtungen werden nach dem Vorbild eines Wirtschaftsbetriebes organisiert, eine Reorganisation der Universitätsverwaltung folgt Managementkriterien.
Für Österreich ist es das Universitätsgesetz 2002 (UG02), das den Universitäten mittels Autonomie ermöglicht, ihre Binnenstruktur marktwirtschaftlichen Kriterien anzupassen. Leistungs- und Zielvereinbarungen sollen Output-orientierte Arbeit ermöglichen, die Organisationspläne schaffen hierarchische Strukturen – studentische Mitbestimmung wird als hinderlich angesehen und deshalb möglichst gering gehalten.
Diese Form des New Public Management verweist auf zwei wesentliche Mechanismen von Bidlungsökonomisierung: Staatliche Mittel werden gesenkt und den chronisch unterfinanzierten Universitäten bleibt augenscheinlich keine andere Möglichkeit, als auf private AnbieterInnen zurückzugreifen und andere Maßnahmen einzuleiten. Als zweiter Schritt, so Pelizzari, „müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, Bildungsangebote überhaupt erst rentabel verwertbar zu machen. Dafür müssen Studierende in ‚KundInnen’, Bildung als formaler und sozialer Rechtsanspruch in Ware umgewandelt werden.“ Im öffentlichen Verständnis heißt das dann unter anderem soviel wie: „Was nichts kostet, ist nichts wert“.
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Bildung als Ware

Anstatt Bildung als Selbstermächtigung und Mittel zur Emanzipation, als umfassenden Prozess zu sehen, gilt es, die (universitäre) (Aus-)Bildung als optimale Verwertung der Humanressourcen zu sehen. Vor allem seit den 90er Jahren wird Bildung immer mehr in Verwertungszusammenhänge einbezogen, beispielsweise durch die „Bildungsinitiativen“ neoliberaler Think-Tanks wie McKinsey&Company oder CHE – das deutsche Centrum für Hochschulentwicklung (vgl: Armin Bernhard: Bildung als Ware. Biopiraterie in der Bildung und ihr gesellschaftlicher Preis). Der Soziologe Wolf Lepenies auf einem Kongress von McKinsey and;Company dazu (zit. nach Bernhard): „Wir müssen Bildung nicht länger nur als Sozialleistung, sondern als eine wirtschaftliche Investition ansehen (…) Unsere Ausnutzung des Humankapitals ist suboptimal.“
Bildung wird somit – im öffentlichen Diskurs und im verbreiteten Verständnis des Begriffs und des Prozesses – auf mehreren Ebenen zur Ware: Studierende werden einerseits zu KonsumentInnen von Bildungsleistungen und sie investieren, z.B durch Studiengebühren in die Dienstleistung Bildung. Durch diese Investition in das Humankapital erhöht sich der Wert des Produkts „StudentIn“. Was bedeutet das aber für inhaltliche Zusammenhänge, wenn sich Studierende durch Investition und erwartete Output-Maximierung in diesen Verwertbarkeitskontext begeben? Die Überlegungen zur Studienwahl beispielsweise werden durch diese Mechanismen an die Arbeitsmarktkompatibilität gekoppelt – und daran orientieren sich Universitäten, was durch Organisations- und geplante Lehrpläne sichtbar wird.